top of page

REZENSIONEN UND BERICHTE

Reaktionen auf die Tätigkeit des ZIMOS  und auf Einzelbeiträge von Leonid  Luks  (Auswahl)

 

1) Das Forum

 

Einzelrezension zum Forum für osteuropäische Ideen- und Zeitgeschichte, 10 (2006), Heft 1

 

„Einen faszinierenden Einblick in das Denken der sog. ‘Neo-Eurasier’ am Beispiel eines ihrer Chefideologen gibt Andreas Umland in seinem Beitrag ‘Postsowjetische Gegeneliten und ihr wachsender Einfluß auf Jugendkultur und Intellektuellendiskurs in Rußland. Der Fall Aleksandr Dugin (1990-2004)’. Er verdeutlicht, daß sich in Rußland in den letzten Jahrzehnten teils autochthon, teils unter Mitwirkung von ‘Eurofaschisten’ ein ideologisches Konstrukt entwickelt hat, das sich auf die ‘eurasische Tradition’ der Zwischenkriegszeit beruft. Dies sei aber ein legitimationsstrategischer Etikettenschwindel, der das Ausmaß des rechtsextremistischen Einflusses verschleiern solle. Dugins Weltanschauung basiere auf dem Denken der ‘Konservativen Revolution’ im Zwischenkriegsdeutschland und der heutigen westeuropäischen sog. ‘Neuen Rechten‘, auf aggressivem geopolitischen Denken sowie eklektischen Elementen des Mystizismus, des Okkulten und von Weltverschwörungstheorien […]. Abgerundet wird das vorliegende Heft durch drei Beiträge der Herausgeber. In seinem kurzen Essay ‘Der Abschied vom Klassenkampf‘ würdigt L. Luks die Verdienste M. S. Gorbačevs und B. N. EI'cins um die Demokratisierung der Gesellschaft der zerfallenden UdSSR und der im Entstehen begriffenen Russischen Föderation. A. Rybakov geht es in seinem Aufsatz ‘Architektonische Modelle im Totalitarismus und die Platonische Idee’ um die Bedeutung architektonischer Modelle als Sinnbilder der totalitären Utopien im Stalinismus und im Nationalsozialismus. Nikolaus Lobkowicz thematisiert in seinem Artikel die Rezeption Hegels und Marx' in der deutschen Philosophie des 20. Jahrhunderts, insbesondere der Frankfurter Schule […]. Insgesamt […] zeigt das Heft die Bandbreite der Ideengeschichte.“ 

Lutz Häfner in der Zeitschrift Jahrbücher für Geschichte Osteuropas 57 (2009), Heft 3.

 

Forum für osteuropäische Ideen- und Zeitgeschichte. Herausgegeben von Nikolaus Lobkowicz, Leonid Luks and Alexei Rybakov. Jg. 11, 2007, H. 2: Schwerpunktthema „Die Russische Revolution“. Böhlau Verlag Köln, Weimar, Wien 2007. 202 S., Kte., Tab. ISBN: 978-3-412-21406-7.

The volume under review is a special issue of the journal “Forum” devoted to the Russian Revolution on the occasion of its ninetieth anniversary. The main articles devoted to the revolution are on Alexander Parvus by Boris Chavkin, who also publishes a dozen pages of facsimile documents on Parvus; US public reaction to the revolution by John Andreas Fuchs; a comparison of Germany’s and Russia’s weak ‘first democracies’ and their authoritarian antecedents and totalitarian successors by Leonid Luks and an assessment of the published minutes of the Politburo for the 1920s and 1930s by Alexander Vatlin. There are a number of other items not directly related to the revolution such as book reviews and discussion articles. (…) Fuchs’ article (…) deals with a topic which is too often neglected – the reception of the revolution of 1917 in elite circles in the United States. He points to Ambassador Francis’s keenness that the US should take the initiative and be first to recognise the Provisional Government and the exaggerated hopes placed in Russia’s new ‘republic’ (which was not officially proclaimed until September) by American opinion. Jewish hopes also rose. Expatriates were not immune. So excited was the congregation of one New York Russian Orthodox cathedral, that traditional prayers for the Tsar were instantly omitted from the liturgy. Once the Bolsheviks came to power the mood quickly soured and turned to stories of child murder and mass killings for fun. The only feature shared by these accounts is inaccuracy. The US did not really create a lasting impact by first recognition; the republic had little solid foundation; the lot of Jews did improve but not in line with expectations and the atrocity stories were often exaggerated or unsubstantiated. However, Fuchs’ excellent account does remind us that, although they were in conflict, liberal opinion in the US opposed both Tsar and Kaiser. Had the Tsar not been overthrown the chances of the United States joining the war would have been greatly reduced.

Of the remaining articles having some significant resonance for the revolution, Leonid Luks’ account of one aspect of the fatal ‘intertwining’ of Russian and German history focuses interestingly on the Weimar and Provisional Government periods. In what he describes as a ‘sketch’ the author, despite the imbalance between the very different lifetimes of the two systems, makes thoughtful and stimulating comparisons about the roots of the weakness of these ‘first democracies.’

Finally, Alexander Vatlin gives a brief but insightful glance over the three volumes of Politburo minutes published in Moscow in 2007. While there is no collective theme in or interaction between the articles, all are worthy of a glance and Fuchs’ theme, in particular, deserves a deeper and more systematic treatment.

 

Christopher Read, Coventry, West Midlands. Jahrbücher für Geschichte Osteuropas, 57(2009), Heft 4

 

 

Nikolaus Lobkowicz / Leonid Luks / Alexei Rybakov (Hgg.): Deutsche Russlandbilder im 20. und 21. Jahrhundert von Dr. Hans-Christian Petersen, Universität Mainz

Der Osten Europas ist auch fünf Jahre nach der Erweiterung der EU für viele westeuropäische Betrachter und Betrachterinnen ein weites und größtenteils unbekanntes Feld. Entsprechend viel Raum eröffnet sich für die fortwährende Tradierung stereotyper Selbst- und Fremdbeschreibungen, die in der Breite der Bevölkerung nach wie vor wirksam sind. In besonderem Maße gilt dies für Russland, das traditionellerweise als Gravitationszentrum der zwischen Feindbild und Traumland changierenden westlichen Bilder ‚des Ostens‘ fungiert. In jüngster Zeit wurde dies noch einmal durch eine Forsa-Umfrage belegt, bei der anlässlich der Eröffnung der Ausstellung „Unsere Russen – Unsere Deutschen“ rund 1.000 Deutsche Auskunft über ihre Vorstellungen vom heutigen Russland gaben. So stimmten 55% der Befragten der Aussage zu, dass sich ‚die Russen‘ durch Staatsgläubigkeit auszeichnen, 65% assoziierten ‚Russland“ mit Willkür, während der Begriff „Freiheit“ nur von 19% der Teilnehmer zum Profil des Landes gezählt wurde. Angesichts dieser Langlebigkeit bestimmter Bilder des ‚Eigenen’ und des ‚Fremden’ wird auch deren Erforschung weiterhin eine zentrale Bedeutung zukommen. Einen Beitrag hierzu leistet das erste 2008 erschienene Heft des vom Zentralinstitut für Mittel- und Osteuropastudien der katholischen Universität Eichstätt herausgegebenen „Forums für osteuropäische Ideen- und Zeitgeschichte“; es ist dem Thema „Deutsche Russlandbilder im 20. und 21. Jahrhundert“ gewidmet und geht auf eine gleichnamige Konferenz im Sommer 2007 zurück.

Die Beiträge des Bandes weisen eine große Heterogenität auf. So untersucht Alexei Rybakov aus literaturwissenschaftlicher Sicht die Bedeutung Russlands in den Werken von Rainer Maria Rilke und Thomas Mann. Bei beiden Autoren erweist sich das Land hierbei als Projektionsfläche für die Suche nach Werten wie Ursprünglichkeit, Religiosität oder Langsamkeit. Die ‚russische Seele’ wird als Gegenentwurf zum durch Materialismus und Äußerlichkeit geprägten Westen imaginiert, weshalb Rybakov Rilke und Mann zu recht als symptomatisch für eine deutsche Russopholie am Beginn des 20. Jahrhunderts einordnet.

Der folgende Beitrag von John Andreas Fuchs thematisiert aus einer geschichtswissenschaftlichen Perspektive die Reaktionen der deutschen Politik und Presse auf den ‚roten Oktober’ 1917. In einem chronologischen Längsschnitt beleuchtet er Wandel und Kontinuitäten zwischen Februar und Oktober dieses Jahres; als Konstante lässt sich die mit den Umstürzen in Russland verbundene Hoffnung auf eine Schwächung des militärischen Kontrahenten und hieraus folgernde eigene Vorteile ausmachen, während die politische Einschätzung von anfänglicher Sympathie zunehmend in eine Furcht vor einem Übergreifen der Revolution auf Westeuropa umschlug. So interessant diese Entwicklungen sind, bleibt mit Blick auf das Rahmenthema des Heftes doch anzumerken, dass hier weniger Russlandbilder als vielmehr Reaktionen und Strategien untersucht werden.

Aleskandr Vatlin geht auf der Basis von zeitgenössischen Ego-Dokumenten und rückblickenden Erinnerungen der Frage nach, welche Russlandbilder kommunistische deutsche Emigranten mit sich trugen, die in den zwanziger Jahren in die Sowjetunion als dem Land einer vermeintlich besseren Zukunft aufbrachen. Vatlin zeigt überzeugend, welch frappierende Langlebigkeit die bereits vor der Auswanderung ausgeprägten idealisierten Vorstellungen von Sowjetrussland trotz aller vor Ort am eigenen Leib erfahrenen Repressionen hatten. Die Entbehrungen des Alltags, eine immer bedrückender werdende Überwachung und die in nicht wenigen Fällen verhängte Lagerhaft bis hin zur Ermordung führten nicht zu einem grundsätzlichen Bruch mit dem System. Man hielt an der einmal entwickelten Utopie fest, da alles andere zugleich ein fundamentales Hinterfragen der eigenen Biographie bedeutet hätte.

Die abschließenden beiden Beiträge des Themenschwerpunkts stammen von Andreas Hilger und Wiebke Bachmann. Hilger, der sich mit grundlegenden Arbeiten einen Namen als Experte für die Geschichte deutscher Kriegsgefangener in der Sowjetunion gemacht hat, widmet sich dem Russlandbild deutscher Kriegsheimkehrer. Er unterstreicht nachdrücklich den unauflösbaren Zusammenhang des Themas mit dem vorhergehenden Vernichtungskrieg deutscher Truppen: Sowohl in dieser Phase als auch in der retrospektiven Beschreibung der eigenen Gefangenschaft seien die Narrative von einem Fortwirken der weit zurückreichenden Idee eines von West nach Ost verlaufenden Kulturgefälles geprägt gewesen. Unabhängig vom Dienstgrad oder der sozialen Herkunft betrachtete man sich als Träger einer ‚höheren Zivilisation’, was zugleich die Unfähigkeit zur Selbstkritik beinhaltete.

Wiebke Bachmanns Beitrag bietet eine Analyse deutscher Medienberichterstattung über die Regierungszeiten Gorbačevs, El’cins und Putins. Basierend auf einer Auswertung des „Spiegel“ sowie der „Frankfurter Allgemeinen Zeitung“ bestätigt sich hierbei zum einen das zu erwartende Bild eines anfänglich schon euphorische Züge annehmenden Tenors über die Reformen Gorbačevs bis hin zur heute dominierenden sehr kritischen Darstellung der Putin-Jahre. Zugleich kann Bachmann aber auch aufzeigen, in welch hohem Maß die Urteile beider Publikationen von unreflektierten westeuropäischen Maßstäben geleitet sind; Kategorien wie die „Werte abendländischer Zivilisation“ (Der Spiegel, 9.2.1995), „Modernisierung“ (FAZ, 10.1.2000) oder „Potemkinsche Demokratie“ (Der Spiegel, 1.12.2003) zeugen davon, wie stark ‚das Fremde’ nach wie vor vom Bild ‚des Eigenen’ bestimmt wird.

Zusätzlich zu diesem Themenschwerpunkt bietet der Band eine Analyse der Lyrik Osip Mandel’štams zur Zeit des stalinistischen Terrors von Christa Ebert, in der Rubrik „Eichstätter Vorträge“ den anlässlich der Gedenkfeier für Karl Graf Ballestrem gehaltenen Vortrag des Politologen Bernhard Sutor über „Katholische Kirche und Menschenrechte“ sowie zwei kommentierte Dokumente zum Oktober 1917 und dem nachfolgenden Bürgerkrieg. Abgerundet durch Rezensionen sowie eine Entgegnung von Leonid Luks auf die Thesen der amerikanischen Kulturkritikerin Naomi Wolf zur Vergleichbarkeit der US-Regierung unter George W. Bush mit NS-Deutschland hat das Forum damit interessante Anstöße für weitere Untersuchungen zum sicherlich auch zukünftig aktuell bleibenden Thema west-östlicher Stereotypen geleistet.

(URL: http://www.unsererussen.de/fileadmin/Presse_PDF/2007/Charts_PK_Druckversion.pdf [21.01.2009]).

ftft.jpg
121.jpg

Den deutsch-russischen Beziehungen hat das sehr rührige Zentralinstitut für Mittel- und Osteuropastudien (ZIMOS) an der Katholischen Universität Eichstätt vom 12. bis 14. Juli 2007 die internationale und interdisziplinäre Konferenz "Russische Deutschlandbilder und deutsche Rußlandbilder im 20. und 21. Jahrhundert" gewidmet. Neun Referate sowie drei Beiträge zur abschließenden Podiumsdiskussion fanden Eingang in die beiden Hefte der Zeitschrift "Forum für osteuropäische Ideen- und für Zeitgeschichte" für 2008. [...] Die Aufsätze bieten eine aktuelle und anregende Lektüre aus kompetenter Feder, und zwar von Deutschen und Russen, was eine komplementäre Sicht auf die Beziehungen erlaubt. Die Kenntnis des jeweils anderen Standpunkts bleibt eine wichtige Voraussetzung für die rationale, von Vorurteilen befreite Sicht des Nachbarn.

(Klaus Steinke in "Informationsmittel [IFB]: digitales Rezensionsorgan für Bibliothek und Wissenschaft")

 

 

2) Schriftenreihe des ZIMOS und andere ZIMOS-Veröffentlichungen

111.jpg
bottom of page