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Zentralinstitut für Mittel- und Osteuropastudien (ZIMOS)

an der Katholischen Universität Eichstätt-Ingolstadt

aus dem Tätigkeitsbericht   für die Jahre 2008-2010

I. Gründung

 

Der west-östliche Brückenschlag: 15 Jahre Zentralinstitut für Mittel- und Osteuropastudien (ZIMOS)

 

Das Zentralinstitut für Mittel- und Osteuropastudien (ZIMOS) wurde 1994, also fünf Jahre nach dem Sieg der friedlichen Revolutionen in Osteuropa errichtet. Der Direktor und Gründer des Instituts sowie damalige Präsident der Katholischen Universität Eichstätt, Prof. Dr. Lobkowicz, hat die wohl wichtigste Aufgabe des ZIMOS folgendermaßen zusammengefaßt: es soll den osteuropäischen Gesellschaften nach deren Befreiung vom Kommunismus dabei helfen, den Weg nach Europa zurückzufinden.

Das ZIMOS versteht sich als Brücke zwischen Ost und West, als Vermittler im Dialog zwischen den beiden früher durch den Eisernen Vorhang getrennten Teilen des Kontinents. Diesem Dialog dienen z.B. zahlreiche internationale, interdisziplinäre Konferenzen, die das ZIMOS organisiert, und zwar zu folgenden Themen (eine Auswahl): „Kirche in der demokratischen Gesellschaft. Das Beispiel Polens nach der Wende“, Der Spätstalinismus und die jüdische Frage“, „Das Christentum und die totalitären Herausforderungen des 20. Jahrhunderts“, „Kulturmodelle und Kulturkonstanten in der russischen Geschichte und Gegenwart“, „Der schwierige Weg zu einer offenen Gesellschaft – Osteuropa an der Schwelle des 21. Jahrhunderts“, „Verwandte Gegner? Der Stalinismus und der Nationalsozialismus im Spiegel des Romans von Wassilij Grossman Leben und Schicksal“, „Russische Deutschlandbilder und deutsche Rußlandbilder im 20. und 21. Jahrhundert“, „Der Abschied von den Imperien im 20. im 21. Jahrhundert“, „Die deutsche Frage im Ost-West-Geflecht“, „Russlands Reformer und Reformen von Alexander II. bis Gorbatschow und Jelzin“ (gemeinsam mit dem Lehrstuhl für Osteuropäische Geschichte der Universität Erlangen-Nürnberg), „Zwischen Demokratie und Paternalismus – Transformationsprozesse im postsowjetischen Raum“ (gemeinsam mit dem DAAD).

Dem vom ZIMOS geförderten interkulturellen Dialog dienen auch der mehrsprachige Unterricht des 1995 gegründeten Lehrstuhls für Mittel- und Osteuropäische Zeitgeschichte, solche Forschungsprojekte wie „„Der Spätstalinismus und die jüdische Frage“, „Niederlagen und Traumata im kollektiven Gedächtnis der Nationen“, „Die ´erste´ russische Emigration als Brücke zwischen Ost und West“ oder das „Internationale Netzwerk zur Erforschung der totalitären Bewegungen des 20. und 21. Jahrhunderts“. Auch die Übersetzung der Werke des bedeutenden russischen Philosophen Semen Frank ins Deutsche und der Summa theologiae von Thomas von Aquin ins Russische, die das Institut durchführt, symbolisiert die Brückenfunktion des ZIMOS. Ähnliche Ziele verfolgt auch die 1997 gegründete Halbjahresschrift „Forum für osteuropäische Ideen- und Zeitgeschichte“. Die Zeitschrift beschäftigt sich in erster Linie mit der wissenschaftlichen Aufarbeitung der kommunistischen Vergangenheit der osteuropäischen Länder und mit der Totalitarismusdiskussion in Ost und West.

Das Forum steht den westlichen und den osteuropäischen Wissenschaftlern in gleichem Maße zur Verfügung und versucht, die, nicht zuletzt aufgrund der Sprachbarrieren, immer noch vorhandene Kluft zwischen Ost und West zu überwinden. Die Zeitschrift verschafft dem westlichen Leser einen Einblick in den zurzeit geführten wissenschaftlichen Diskurs im europäischen Osten. Zugleich gibt das Forum den osteuropäischen Wissenschaftlern die Möglichkeit, in westliche Debatten zum Thema „Kommunismus“, „Totalitarismus“ oder „Transformation“ aktiver einzugreifen.

Seit Juli 2004 gibt das Institut im Internet zweimal jährlich auch eine russische Ausgabe des Forums heraus. Durch diese neue Zeitschrift, die mit dem deutschen Forum nur teilweise identisch ist, versuchen die Herausgeber den Leserkreis des Forums zu erweitern und die Zeitschrift denjenigen Osteuropakennern und Osteuropäern zugänglich machen, die die deutsche Sprache nicht beherrschen.

Als das ZIMOS vor 15 Jahren gegründet worden war, befanden sich die Transformationsprozesse in Osteuropa noch in ihrer Anfangsphase und ihr Ausgang war immer noch ungewiss. Inzwischen haben sich die demokratischen Systeme an der westlichen Peripherie des ehemaligen sozialistischen Lagers weitgehend stabilisiert. Ganz anders verhalten sich die Dinge in anderen Regionen des 1989-91 aufgelösten Ostblocks, nicht zuletzt in Russland, also in einem Land, das seinerzeit durch die Gorbatschowsche Perestrojka die Überwindung der europäischen Spaltung erst ermöglichte. Dort findet, vor allem nach dem Machtantritt Wladimir Putins eine autoritäre Wende statt, die mit einem weitgehenden Abbau jener zivilgesellschaftlichen Strukturen verbunden ist, die in der Gorbatschow- bzw. Jelzin-Periode entstanden sind. Immer stärker setzen sich dort antiwestliche und isolationistische Tendenzen durch. Ähnliche Entwicklungen finden auch in weiteren Ländern der ehemaligen Sowjetunion statt. Auch viele westliche Intellektuelle vertreten die These, Russland sei kein europäisches Land.

Dabei wird der Begriff „Europa“ oft mit dem Westen gleichgesetzt und dadurch außerordentlich verkürzt. Die Tatsache, dass Europa auch einen Osten hat, wird durch diese Betrachtungsweise außer Acht gelassen. So entsteht die paradoxe Situation, dass solche Schriftsteller wie Tolstoj, Dostoewskij, Tschechow und Pasternak, solche Philosophen wie Wladimir Solowjow, Nikolaj Berdjaev und Semen Frank, Maler wie Kandinskij und Malewitsch, welche die europäische Kultur als solche außerordentlich bereichert haben, quasi aus dem gemeinsamen „europäischen Haus“ verbannt werden. Und diese Verbannung müsste sich eigentlich auch auf unzählige westliche Künstler und Schriftsteller erstrecken, deren Werke entscheidend durch die russische Malerei, Musik oder Literatur inspiriert wurden, so z.B. auf Rainer Maria Rilke oder auf Thomas Mann, der in einer seiner Novellen sogar von der „anbetungswürdigen ..., heiligen russischen Literatur“ spricht. (Mann, Th.: Gesammelte Werke in dreizehn Bänden. Frankfurt am Main 1990, hier Bd. 8, S.300, Bd. 10, S.595.)

Andererseits wären Dostoewskij und Tolstoj ohne Cervantes, Rousseau oder Goethe unvorstellbar. So schließt sich der Kreis, und es wird offensichtlich, dass beide Teile Europas geradezu essentiell aufeinander angewiesen sind, und dass ihre allzu lange Trennung schmerzliche, ja verheerende Folgen für den Kontinent als solchen nach sich zieht.

Hans-Ulrich Wehler hat vor einigen Jahren die angebliche Nichtzugehörigkeit Russlands zu Europa damit begründet, dass das „orthodoxe Christentum sich immer noch zutiefst vom protestantischen und römisch-katholischen Europa unterscheidet“. (Wehler, H.-U.: Laßt Amerika stark sein! Europa bleibt eine Mittelmacht: Eine Antwort auf Jürgen Habermas, in: Frankfurter Allgemeine Zeitung 27.6.2003.)

In der Tat. Das gemeinsame europäische Erbe wird im Osten nicht selten anders interpretiert als im Westen. So kannte zum Beispiel das östliche, von Byzanz dominierte Christentum nicht den Streit zwischen der weltlichen und der kirchlichen Macht, der die Frühgeschichte des Abendlandes sehr stark prägte und der zur Entstehung des bis heute vorherrschenden westlichen Pluralismus entscheidend beitrug. Prägend für das östliche Christentum – so für Byzanz und für Russland – war hingegen der Begriff der „Symphonie“, der Eintracht zwischen der weltlichen und der kirchlichen Macht. Dort hat sich ein System etabliert, in dem die Kirche sich unter die Obhut der weltlichen Herrscher und damit in eine weitgehende Abhängigkeit von ihnen begab. Der politische Pluralismus westlicher Prägung hatte angesichts einer solchen Ausgangssituation wenig Entfaltungsmöglichkeiten.

 Die Liste der Unterschiede zwischen Ost und West ließe sich beliebig verlängern. Sind es aber nicht gerade diese Unterschiede, die die gegenseitige Befruchtung ermöglichen? Die ost-westliche kulturelle Symbiose ist gerade deshalb möglich, weil Europa ein janusköpfiges Gebilde darstellt – mit einem gemeinsamen Fundament und unterschiedlichen Gesichtern. Wäre der Osten nur eine Kopie des Westens oder umgekehrt, hätten sie voneinander kaum profitieren können. Welch schmerzliche Folgen die Trennung dieser beiden essentiell aufeinander angewiesenen Teile Europas haben kann, hat die Geschichte des „kurzen“ 20. Jahrhunderts (1914-1991) deutlich gezeigt.

Durch die Förderung eines interkulturellen Dialogs zwischen Ost und West möchte das ZIMOS seinen kleinen Beitrag dazu leisten, dass die Isolationisten auf beiden Seiten des ehemaligen „eisernen Vorhangs“ nicht erneut die Oberhand gewinnen.

Leonid Luks

 

 

Zur Entstehungsgeschichte des Zentralinstituts für Mittel- und Osteuropastudien

 

Als 1989-1991 der Ostblock und die Sowjetunion sich auflösten (und damit übrigens der Marxismus-Leninismus zu einem geradezu ägyptologischen Forschungsgegenstand wurde, einem Thema, das weltweit kaum mehr jemand ernst nahm), hatte ich das Gefühl, es sei Aufgabe einer katholischen Universität, zur geistigen Gesundung des bis dahin kommunistischen Osteuropas beizutragen. Gewisse Beziehungen gab es ja damals schon: etwa zur Katholischen Universität Lublin, damals der einzigen katholischen Universität jenseits der Oder-Neiße-Linie (inzwischen gibt es eine katholische Universität in Ungarn und eine Jesuiten-Hochschule in Moskau), es gab Kontakte zu Katholischen Theologischen Fakultäten in der DDR, der Tschechoslowakei und Ungarn, und ich hatte persönlich auch allerlei Beziehungen zu russischen Dissidenten, freilich nur solchen, die in den Westen geflohen waren. Mein persönlicher Assistent war damals Peter Schulz, heute Professor für Linguistik an der Universität Lugano; als einem Mitglied von Don Giussanis Bewegung Comunione e Liberazione lag ihm Ähnliches am Herzen, zumal da er, bevor er hier in Eichstätt in Philosophie promovierte und sich habilitierte, Slawistik studiert hatte. Wir kamen zusammen zum Ergebnis, dass der geeignetste Weg die Errichtung einer gut mit Stipendienmitteln ausgestatteten Forschungsstelle wäre, die über die rein wissenschaftliche Tätigkeit hinaus in universitätsgemäßer Weise helfend in Zentral- und Osteuropa wirken würde. Insofern empfand ich später meine fast dreijährige Tätigkeit als Zwangs- und Reformdekan der katholischen theologischen Fakultät der Prager Karls-Universität als durchaus „ZIMOSgemäß“.

Aber in Eichstätt kann selbst der autoritärste Universitätspräsident nicht einfach beschließen, ein Institut zu errichten; der Umfang der Ressourcen ist zu klein, Umschichtungen sind kaum möglich. Deshalb muss ich an dieser Stelle etwas über den inzwischen verstorbenen Vorstandsvorsitzenden und später Aufsichtsratsvorsitzenden der in Stuttgart beheimateten Robert Bosch GmbH, Hans Lutz Merkle, erzählen. Er war einer der großen deutschen Unternehmergestalten der Nachkriegszeit, der es wichtig fand, dass sein Unternehmen mit Hilfe seiner Stiftungen in die Welt der Kultur hineinwirkt. U.a. war er später einer der Initiatoren der Restaurierung der Dresdener Frauenkirche. Ich hatte ihn kennengelernt, weil er Vorsitzender des Kuratoriums der in Ebenhausen beheimateten, von der Bundesregierung mitfinanzierten Stiftung Wissenschaft und Politik war und diese einen neuen Direktor suchte; er lud mich in München zu einem Mittagessen ein, um herauszufinden, ob ich bereit sein könnte, diese Aufgabe zu übernehmen. Ich lehnte ab, da ich ja weder inmitten meiner Amtszeit die Eichstätter Universität verlassen noch beide Aufgaben zugleich wahrnehmen konnte. Aber aus dieser Begegnung entstand ein freundschaftliches Vertrauensverhältnis, und etwas später fragte mich Merkle, was er für die Eichstätter Universität machen könnte. Er war zwar Protestant, aber aufgrund amerikanischer Erfahrungen von der Notwendigkeit und den Zukunftschancen nichtstaatlicher Universitäten überzeugt. Ebenso Harvard wie Yale waren ja solche Universitäten und Merkle jettete häufig nach Amerika, um die Zweigstellen seiner Bosch GmbH zu kontrollieren. Kurz darauf kam er, von niemand außer mir erkannt, nach Eichstätt. Er landete mit dem Privatjet des Unternehmens auf dem nahegelegenen Militärflughafen und ließ sich von seinem Chauffeur, der dort inzwischen aus Stuttgart mit dem Mercedes angekommen war, nach Eichstätt fahren. Sein Eichstätter Aufenthalt dauerte nur ein paar Stunden, aber offenbar wollte Merkle nichts unterstützen, was er nicht vorher besichtigt hatte. Einige Monate später schrieb er einen persönlichen Brief an die Direktoren von etwa zwölf Banken und Unternehmen und schlug eine gemeinsame Unterstützungsaktion vor; die Robert-Bosch-Stiftung würde eine größere Summe zur Verfügung stellen und die anderen sollten dasselbe tun. Sein Gewicht unter Unternehmern war so groß, dass etwa fünf oder sechs Banken und Unternehmen mitmachten, wohl auch deshalb, weil sie damals alle über Unternehmenschancen in den Ländern jenseits der Oder-Neiße-Linie nachdachten. Wir – Herr Schulz und ich - erfuhren davon, als plötzlich – völlig unerwartet - Briefe ankamen, in denen z.B. die Münchener Bayerische Hypothekenbank oder das Unternehmen Mannesmann uns mitteilten, sie würden hunderttausend, zweihunderttausend, dreihunderttausend DM überweisen. Innerhalb von sechs Wochen hatte ich auf einem Konto der Universität eine Summe beieinander, angesichts deren die Stiftung – der Vorstandsvorsitzende Franz Knöpfle und Stiftungsdirektor Beyer – gar nicht umhinkonnten, mit der Errichtung eines Osteuropa-Institutes grundsätzlich einverstanden zu sein und bald darauf auch eine eigene Professur für Osteuropäische Geschichte beizusteuern, die freilich mitsamt ihrer Ausstattung die ersten fünf Jahre ebenfalls von der Robert-Bosch Stiftung finanziert wurde. Vor allem der Stiftungsdirektor war entzückt, da er ständig nach Wegen suchte, das Fächerspektrum der Universität zu erweitern.

 

* * *

 

Nach meinen Unterlagen wurde das ZIMOS von der Stiftung in seiner heutigen Form endgültig im August 1998 errichtet; dass es „Zentralinstitut“ hieß und bis heute heißt, geht darauf zurück, dass laut der damaligen Fassung des Bayerischen Hochschulgesetzes auch wissenschaftliche Institute zentrale Einrichtungen außerhalb der Fakultäten sein konnten. Bis zu dem genannten Datum war die Errichtung des ZIMOS wohl auf vier Jahre befristet, da die Stiftung sich offenbar überzeugen wollte, dass seriöse Arbeit geleitet wird. Die Instituts-Ordnung der provisorischen Gestalt des ZIMOS wurde im Juni 1994, zwei Jahre vor Ende meiner Amtszeit als Präsident, verabschiedet und dann 1998 endgültig von der Stiftung bestätigt. Da die damalige Fassung des Bayerischen Hochschulgesetzes vorsah, dass Institutsleitungen entweder befristet oder kollegial zu sein hatten, und neben mir niemand am Institut Professor war, war meine Direktoren-Rolle befristet und ich musste dann alle vier Jahre wiedergewählt werden. Gewählt wurde und wird bis heute der Direktor von einer „Institutsversammlung“, der jeweils aus wenigstens einem Professor jeder Fakultät und einigen auf Antrag des Präsidenten hinzugewählten Personen besteht. So ist z.B. der Münchener Jesuit Peter Ehlen, ein Fachmann für russische Philosophie, und waren praktisch immer alle am Institut tätigen Assistenten und oft auch Hilfskräfte Mitglieder der Institutsversammlung. Nach der ersten Sitzung war die Institutsversammlung des ZIMOS freilich nie mehr beschlussfähig, so dass alle Beschlüsse durch Umlauf nachgeholt werden mussten. Neben der Institutsversammlung entstand ein Förderverein, der einen Teil der Spendenmittel verwaltete und sich um Unterstützung der Finanzierung des Institutes zu bemühen hatte.

Die Arbeit des Institutes begann freilich schon vor seiner auch nur provisorischen Errichtung. Wir knüpften Beziehungen zu zahlreichen Hochschulen und Forschungsstellen in Mittel- und Osteuropa: in der Tschechoslowakei, in Polen, den baltischen Ländern, Ungarn und Russland, und entwickelten ein Stipendienprogramm, das eine Reihe von Studenten und jungen Wissenschaftlern aus diesen Ländern einen Studienaufenthalt in Eichstätt ermöglichte. Später übergab uns zur Verwaltung die Haniel-Stiftung ihr Osteuropa-Stipendienprogramm, das umgekehrt Deutschen einen Studienaufenthalt in Mittel- und Osteuropa ermöglichte. Wir haben auf diese Weise über hundert jungen Wissenschaftlern einen Forschungsaufenthalt sei es aus Osteuropa in Deutschland, sei es aus Deutschland in Osteuropa ermöglicht. Noch später kam ein weiteres Großprojekt hinzu, die erste russische Übersetzung der Summa theologiae Thomas von Aquins, die von einer italienischen Stiftung finanziert wird.

Schon 1994 hatte ich die einmalige Chance, Frau Savoldelli als Institutssekretärin zu gewinnen, die ein abgeschlossenes Studium der Universität Mailand vorweisen konnte und neben anderen Sprachen Russisch beherrschte. An dieser Stelle würde ich Sie am liebsten auffordern, sich von den Sitzen zu erheben und zu applaudieren; denn sie ist in den letzten 15 Jahren zur Seele des ZIMOS geworden. Schon in München hatte ich behauptet, Fakultäts- und Institutssekretärinnen seien im Grunde wichtiger als Dekane und Professoren. Letztere kommen und gehen, und haben auch während der Zeit, da sie da sind, nur wenig Zeit für die Nöten der Studenten und Gäste. Institutssekretärinnen sind der Kitt, das ständige Gedächtnis, die Samariter und eben die Seele eines Institutes, zumal wenn sie wie Frau Savoldelli hochgebildet sind und ständig die tieferen Dimensionen einer Forschungseinrichtung in den Augen behalten. Ich habe im Laufe meiner Karriere in Deutschland viele gute Instituts-, Fakultäts- und Rektoratssekretärinnen gehabt, aber Frau Savoldelli ist in dieser Hinsicht absolut einmalig.

Und dann geschah ein weiterer Glückfall: Herr Luks bekam den Ruf auf den neuen Lehrstuhl für osteuropäische Geschichte und nahm ihn an. Da ich ihn schon aus München kannte, u.a. einer der Gutachter ebenso seiner Dissertation bei Stadtmüller über Lenins Außenpolitik wie seiner Habilitationsschrift bei Nipperdey über die sowjetische Faschismusinterpretation gewesen war, hatte ich von Anfang an gehofft, dass es uns gelingen würde, ihn nach Eichstätt zu locken. Er war und ist für das ZIMOS und damit für die KUE-I ein Glücksfall. Osteuropahistoriker neigen nämlich dazu, Zeitgeschichte als eine Art Journalismus und deshalb als weniger seriös anzusehen. Herr Luks dagegen hat sich zwar nicht völlig, aber doch weitgehend der Geschichte der kommunistischen Welt seit 1917 bzw. für die Satellitenstaaten der Sowjetunion seit dem Zweiten Weltkrieg verschrieben, und genau das brauchte das ZIMOS, so wie ich es konzipiert hatte.  

 Ich möchte nicht schließen, ohne einige Worte über die Zukunft des ZIMOS hinzuzufügen. Forschungsinstitute sind stets in Gefahr, mit dem Fortgang ihrer Gründer unterzugehen. Ich meine, dass das ZIMOS zu erfolgreich war und ist, um dies zuzulassen. Zwar hat sich die Weltlage seit den 1990er Jahren des vergangenen Jahrhunderts grundlegend verändert. Aber Russland ist auch heute noch das mächtigste Rätselland unserer Zeit, und in Mittel- und Osteuropa gibt es zahllose Archive, die nur zum geringsten Teil erschlossen, z.T. noch überhaupt nicht zugänglich sind. Abgesehen davon ist die Gesundung der vormals kommunistischen Weltteile, an der ZIMOS mitzuwirken versucht hat und versucht, noch lange nicht abgeschlossen.

Nikolaus Lobkowicz

 

(Auszüge aus einem Vortrag, der anläßlich des 15-jährigen Bestehens des ZIMOS gehalten wurde – Eichstätt, 22.November 2009)

 

 

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