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PROJEKTE

Wissenschaftliche Projekte des ZIMOS

 

Deutschsprachige Ausgabe der Werke von Simon L. Frank

 

Im Jahre 2013 erschien der achte und letzte Band der deutschsprachigen Edition der Werke des russischen Philosophen Simon L. Frank (1877-1950), den der Theologe Vasilij Zenʼkovskij in seiner Geschichte der russischen Philosophie als den „herausragendsten russischen Philosophen“ bezeichnete.[1] Dessenungeachtet blieb das philosophische Werk Franks in Deutschland sehr lange so gut wie unbekannt. Dieser Sachverhalt überrascht, denn Frank war in der deutschen philosophischen Tradition tief verwurzelt und hielt den spätmittelalterlichen Philosophen Nikolaus von Kues für seinen wichtigsten Lehrer. Abgesehen davon lebte Frank, der die deutsche Sprache hervorragend beherrschte, nach seiner erzwungenen Emigration aus Sowjetrussland im Jahre 1922 bis Ende 1937 in Berlin. Er beteiligte sich aktiv am kulturellen Leben seines Gastlandes. Von seinen deutschen Gesprächspartnern wurde Frank allerdings nur als „Russlandexperte“ und keineswegs als Philosoph wahrgenommen, was ihn sehr enttäuschte: „[Meine] gnoseologisch-ontologische Intuitionen [sind] in Deutschland ziemlich unbemerkt geblieben“, schrieb Frank in einem Brief an seinen Freund, den bekannten Schweizer Psychiater Ludwig Binswanger, am 26. Januar 1935.

Sein grundlegendes Werk zur Religionsphilosophie (Das Unergründliche) schrieb Frank auf Deutsch (1936) und bot es mehreren Verlagen an. Ohne Erfolg. Im nationalsozialistischen Deutschland hatte das Buch ohnehin keine Chance zu erscheinen, und zwar wegen der sogenannten „nichtarischen“ Herkunft Franks. Obwohl Frank 1912 im Alter von 35 Jahren zum Christentum konvertiert war, galt er für die rassisch geprägte nationalsozialistische Gesetzgebung weiterhin als Jude. Aber auch von den Verlagen in der Schweiz und in Österreich erhielt Frank lauter Absagen. Deshalb fühlte er sich gezwungen, sein auf Deutsch verfasstes Buch ins Russische zu übersetzten und in einem Exilverlag in Paris unter dem Titel Nepostižimoe (1939) zu veröffentlichen.

Auch nach dem Zusammenbruch des Dritten Reiches blieben die Werke Franks dem philosophisch interessierten Publikum in Deutschland weitgehend unbekannt. Dies ungeachtet der Tatsache, dass der deutsch-russische Philosoph Fedor Stepun, der mit Frank eng befreundet war, sich unablässig darum bemühte, das Interesse des deutschen Publikums für Franks Werke zu wecken. Aber auch diesem wichtigen Vermittler zwischen den beiden Kulturen wurde hier kein Erfolg beschieden. Resigniert musste Stepun 1963 in einem Brief an die Witwe Franks feststellen, dass Franks Philosophie höchstwahrscheinlich nicht zeitgemäß sei, seine Zeit aber sicher noch kommen würde.[2]

Somit erschien Das Unergründliche erst 45 Jahre nach dem Tode Franks auf Deutsch. Herausgegeben wurde es vom Münster Philosophen Alexander Haardt.[3]

Im gleichen Jahr leitete das Zentralinstitut für Mittel- und Osteuropastudien (ZIMOS) ein Editionsprojekt in die Wege, mit dem Ziel, die wichtigsten philosophischen und publizistischen Werke Franks den deutschen Lesern zugänglich zu machen. Daraus ist die bereits eingangs erwähnte achtbändige Edition entstanden, deren Vollendung 18 Jahre in Anspruch genommen hatte.[4]

Für die von Fritz-Thyssen-Stiftung finanzierte Edition erhielt das ZIMOS die ausdrückliche Genehmigung des inzwischen verstorbenen Sohnes von Simon Frank, Vasilij (1920-1996) und seiner Schwester Natalʼja, die es ausdrücklich wünschten, dass das Werk ihres Vaters in Deutschland eine größere Verbreitung findet. So sind wir der Familie von Simon L. Frank, der Fritz-Thyssen-Stiftung und dem Verlag Karl Alber, der die Frank-Werke veröffentlichte, zu großem Dank verpflichtet.

Das Projekt basiert auf einer engen Zusammenarbeit des ZIMOS mit der Hochschule für Philosophie, München (Prof. Dr. Peter Ehlen und Dennis Stammer, M. A.) und mit dem Institut für Philosophie der Russischen Akademie der Wissenschaften (Prof. Dr. Nelli Motrošilova und Prof. Dr. Vladimir Kantor) sowie einem hervorragenden Team von Übersetzern und Wissenschaftlichen Mitarbeitern, die sein Zustandekommen erst ermöglicht haben.

 

Leonid Luks

 

 

[1] Zenʼkovskij, Vasilij: Istorija russkoj filosofii. Paris 1950, Bd. 2, S. 410; dieser Meinung schloss sich auch der bekannte Slavist Dmitrij Čiževskij an (Čiževskij, Dmitrij: S.L.Frank kak istorik filosofii i literatury, in: Zenʼkovskij, Vasilij (Hrsg.): Sbornik pamjati Semena Ljudvigoviča Franka. München 1954, S. 174.

[2] Fedor Stepun. Pisʼma, hrsg. von Vladimir Kantor. Moskau 2013, S. 369; siehe dazu auch S. 332, 334, 336, 355-359, 371, 418.

[3] Das Unergründliche. Ontologische Einführung in die Philosophie der Religion, hrsg. und eingeleitet von Alexander Haardt. Freiburg / München 1995.

[4] Dieses Projekt wurde von einer Kennerin der Frank-Philosophie 2010 folgendermaßen charakterisiert: „[Dies] ist in West- und Osteuropa das erste Mal, dass eine umfassende Edition geplant ist, die nicht nur die philosophischen Hauptwerke Franks, sondern auch seine breitgefächerte publizistische Tätigkeit berücksichtigt“ (Rörig, Anne: Persona­lismus versus All-Einheit: Philosophie des Dialogs und der Begegnung bei Semen Frank. Berlin 2010, S. 18.

Programm der Edition:

Band 1.

Der Gegenstand des Wissens Grundlagen und Grenzen der begrifflichen Erkenntnis.

Mit einer Einleitung der Herausgeber und einem Vorwort von Nelly Motroschilowa

Band 2.

Die Seele des Menschen. Eine Einführung in die philosophische Psychologie

Mit einer Einleitung von Peter Schulz

und Stefanie Haas

Band 3.

Die geistigen Grundlagen der Gesellschaft. Einführung in die Sozialphilosophie.

Mit einer Einleitung von Peter Ehlen

Band 4.

Realität und Mensch. Eine Metaphysik des menschlichen Seins.

Mit einer Einleitung von Peter Ehlen

Band 5.

Licht in der Finsternis. Eine christliche Ethik und Sozialphilosophie.

Mit einer Einleitung von Vladimir Kantor

Band 6.

Gott mit uns. Drei Betrachtungen.

Mit einer Einleitung von Peter Ehlen

Band 7.

Jenseits von rechts und links. Aufsätze zum Charakter der russischen

Revolution und zur moralischen Krise in Europa.

Mit einer Einleitung von Leonid Luks

Band 8.

Lebendiges Wissen - Aufsätze zur Philosophie

Mit einer Einleitung von Dennis Stammer

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