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In memoriam


Prof. Dr. Nikolaus Lobkowicz (1931-2019)


Ich kannte Herrn Lobkowicz seit Anfang der 1970er Jahre, aus der Zeit, in der er als Rektor der
LMU München wirkte, an der ich damals auch studierte. Herr Lobkowicz hat sowohl meine
Promotions- als auch meine Habilitationsurkunde unterzeichnet. Er war auch Gutachter meiner
Dissertation und meiner Habilitation. Was uns zusätzlich verband, war unser gemeinsames
Interesse für die damals „vergessene“ östliche Hälfte unseres Kontinents. Trotz seiner tiefen
Verankerung in der westlichen Kultur hat Herr Lobkowicz seine östlichen Wurzeln, seinen
Migrationshintergrund wie man dies heute sagen würde, niemals vergessen. Wie ich aus seinen
Erzählungen weiß, hat er in dem von den Nationalsozialisten okkupierten Prag mit seinen
Geschwistern in der Öffentlichkeit Tschechisch gesprochen, was erhebliche Unannehmlichkeit
hätte mit sich bringen können. Darin äußerte sich schon damals eine seiner wichtigsten
Eigenschaften - sein unbeugsamer Freiheitswille. Er hat sowohl der nationalsozialistischen als
auch der kommunistischen Diktatur in deren Fängen er sich eine Zeitlang befand, getrotzt. Die
Auseinandersetzung mit den totalitären Ideologien linker und rechter Prägung stand im Zentrum
seines wissenschaftlichen Werks. Diese Auseinandersetzung hatte nicht nur theoretische, sondern
auch praktische Dimensionen. Denn in allen Positionen, in denen Herr Lobkowicz in den letzten
Jahrzehnten wirkte, nutzte er seinen Einfluss nicht zuletzt dafür, um die nach Freiheit strebenden
Kräfte im kommunistischen Machtbereich zu unterstützen. Eng mit diesem Wirken war auch das
Konzept des von ihm vor 25 Jahren gegründeten Osteuropa-Instituts, des ZIMOS, verbunden.
Die wichtigste Aufgabe des ZIMOS wurde von Herrn Lobkowicz folgendermaßen beschrieben:
„Es soll den osteuropäischen Gesellschaften nach deren Befreiung vom Kommunismus helfen,
den Weg nach Europa zurückzufinden“.
In diesem Sinne hat das ZIMOS in den letzten Jahren auch gewirkt. Es ging dem Institut in erster
Linie um die Unterstützung der Rückkehr der östlichen Hälfte des Kontinents nach Europa, und
zwar im wissenschaftlichen Sinne. Die sogenannte vergessene Hälfte Europas war 50 bzw. 70
Jahre lang von dem weltweiten wissenschaftlichen Diskurs abgeschnitten und suchte nun den
Anschluss an diesen Diskurs. Mit Hilfe seiner Projekte, Kooperationen, Publikationen und
Tagungen unterstützte das ZIMOS diese Bestrebungen und versuchte als eine kleine Brücke
zwischen Ost und West zu wirken. Dieses Wirken wurde von vielen Beobachtern in Ost und
West durchaus gewürdigt, worauf Herr Lobkowicz wie mir scheint durchaus stolz war. Ich
möchte dazu abschließend folgende Worte von ihm zitieren: „Wie so oft in meinem Leben, war
mir etwas gelungen, weil andere meinten, es sei an der Zeit, dass es geschieht, und mir bei der
Verwirklichung meiner Idee beistanden“.
Diesen Nachruf habe ich in Moskau geschrieben. Dort erreichte mich die traurige Nachricht vom
Tod von Herrn Lobkowicz.


Leonid Luks


Moskau, 22. 9. 2019

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