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II. Lehre

 

Lehrstuhl für Mittel- und Osteuropäische Zeitgeschichte (1995-2014)

 

Der Lehrstuhl für Mittel- und Osteuropäische Zeitgeschichte wurde 1995 errichtet. Er stand in enger Verbindung mit dem 1994 gegründeten Zentralinstitut für Mittel- und Osteuropastudien, das intensive Kontakte mit vielen wissenschaftlichen Einrichtungen in Osteuropa unterhielt und Transformationsprozesse in dieser Region auf vielfache Weise unterstützte.

Der Lehrstuhl widmete seine Aufmerksamkeit in erster Linie der neueren und neuesten Geschichte Russlands und Ostmitteleuropas (19. und 20. Jahrhundert) und erforschte die geschichtliche Entwicklung dieser beiden benachbarten Regionen, deren historische Schicksale sich grundlegend voneinander unterscheiden. Russland bzw. die Sowjetunion stellte in der untersuchten Periode eine Hegemonialmacht dar, in der der Staat ein eindeutiges Übergewicht über die Gesellschaft besaß. Dabei muss man hervorheben, dass die Idee eines starken Staates auf große Teile der russischen Öffentlichkeit, trotz der Versuche der herrschenden Bürokratie, die Gesellschaft zu entmündigen, eine außerordentliche Faszination ausübte. Eine ganz andere Einstellung zum Staat zeichnete die ostmitteleuropäischen Gesellschaften aus. Da die Völker Ostmitteleuropas über Generationen fremdbestimmt waren, waren sie bei weitem nicht so etatistisch gesinnt wie ihre russischen Nachbarn. Die Auflehnung gegen die Fremdherrschaft stellte den roten Faden der Geschichte Ostmitteleuropas dar, und dieser Kampf war nur selten von Erfolgen gekrönt. Die vergleichende Analyse der unterschiedlichen historischen Entwicklung Russlands auf der einen und seiner ostmitteleuropäischen Nachbarn auf der anderen Seite bildete einen der zentralen Schwerpunkte der Lehr- und Forschungstätigkeit des Lehrstuhls. Den nächsten Schwerpunkt stellte die Analyse des sowjetischen Systems und seiner Genese dar, so die Frage, warum ausgerechnet in Russland das erste totalitäre Regime der Moderne entstehen konnte. Der Lehrstuhl befasste sich also mit dem russischen „Sonderweg“, von dem die Kenner Russlands so oft sprechen. Vor einem inflationären Gebrauch des Begriffs „Sonderweg“ soll aber zugleich gewarnt werden. So erlebten die parlamentarisch-demokratischen Institutionen, die in Russland 1917 kurz nach ihrer Errichtung zusammengebrochen waren, einige Jahre später auch im restlichen Europa eine der tiefsten Krisen der Geschichte. Insofern nahmen die russischen Ereignisse vom Jahre 1917 die allgemeinen europäischen Entwicklungen in mancher Hinsicht nur um einige Jahre vorweg. Die geschichtliche Entwicklung Russlands spiegelt also sowohl spezifisch russische als auch allgemein europäische Tendenzen wider. Mit dem Charakter dieser Interdependenz beschäftigten sich zahlreiche Lehrveranstaltungen und einige Forschungsprojekte des Lehrstuhls.

Zu den weiteren Schwerpunkten der Lehr- und -Forschungstätigkeit des Lehrstuhls gehörten: vergleichende osteuropäische Ideengeschichte, Geschichte der Kommunistischen Internationale und des Ostblocks, sowjetische Osteuropa-Politik, die „jüdische Frage“ in Osteuropa, die Kirchenpolitik der kommunistischen Staaten (in erster Linie Polen und UdSSR), die Perzeption Russlands bzw. der Sowjetunion im Westen und des Westens in Russland, vergleichende Analyse der kommunistischen und der rechtsextremen Diktaturen, Faschismus- und Totalita­rismus­theorien.

Das Fach Mittel- und Osteuropäische Zeitgeschichte war eigenständiger Teil des Faches Neuere Geschichte und konnte als Hauptfach eines Magister- oder Promotionsstudiums belegt werden. Es wurde auch von zahlreichen Studierenden anderer Fachrichtungen (Politische Wissenschaften, Journalistik, Philosophie, Geographie u.ä.) als Nebenfach belegt.

Seit dem Sommersemester 2005 bot der Lehrstuhl, allerdings nicht regelmäßig, auch Lehrveranstaltungen in russischer und seit dem Sommersemester 2009 in englischer Sprache an.

Prof. Leonid Luks, der seit Oktober 1995 den Lehrstuhl innehatte, befindet sich seit April 2012 im Ruhestand. Bis zum Ende des Wintersemesters 2012/13 hat Prof. Luks den Lehrstuhl vertreten. Im Juni 2011 wurde Prof. Luks als Nachfolger von Prof. Dr. Nikolaus Lobkowicz zum Direktor des ZIMOS gewählt (bis 2015).

 Vom Sommersemester 2013 bis zum Sommersemester 2014 vertrat Prof. Dr. Mathias Stadelmann aus Erlangen in voller thematischer Breite den Lehrstuhl.

Am 1. September 2014 wurde der Lehrstuhl für Mittel- und Osteuropäische Zeitgeschichte an der KU Eichstätt-Ingolstadt auf Beschluss der Hochschulleitung eingestellt.

 

Abgeschlossene Dissertationen

Csaba Szabó, „Die katholische Kirche Ungarns und der Staat in den Jahren 1945-1965“

Frank Schauff, „Sowjetunion, Kommunistische Internationale und Spanischer Bürgerkrieg (1936-1939)”

Gytis Gudaitis, „Die russische und die deutsche Armee im Ersten Weltkrieg und in den Revolutionen von 1917 und 1918“

Zaur Gasimov, „Militär schreibt Geschichte. Instrumentalisierung der Geschichte durch das Militär in der Volksrepublik Polen und in der UdSSR (1981-1991)“

Wiebke Bachmann, „Die Instrumentalisierung einer Großmacht. Sowjetische Beziehungen zu Israel und Ägypten vom II. Weltkrieg bis zum 20. Parteitag 1956“

Aygul Ashirova, „Stalinismus und Stalin-Kult in den islamischen Regionen der UdSSR unter besonderer Berücksichtigung Turkmenistans“

Antonina Zykowa,  „Determinanten, Konstanten und Variablen des deutschen Russlandbildes seit dem Ende des 19. Jahrhunderts“

Adrian Vasilache, „Die Rumänisch-Orthodoxe Kirche und das kommunistische Regime (1945-1989)“

Eva Seibel, „Ein Jahrhundert der Frauen? Die russischen Kaiserinnen Katharina I., Anna, Elisabeth und Katharina II. im Spiegel der deutschen Publizistik des 18. Jahrhunderts““

Nikolaus Faulstroh, „Die Balkankrisen von 1908-1914 und die Jugoslawienkonflikte nach 1991 im Beziehungsgeflecht der Großmächte”

Kamran Musayev, „Zwischen Demokratie und Autoritarismus. Transformationsszenarien im Baltikum und Südkaukasus“

 

 

Laufende Dissertationen

 

Ekaterina Kolling, „Wissenschaftler-Emigration aus Russland im 20. und 21. Jahrhundert. Vergleichende Analyse“

Ibrahim Mirzaev, „Modernisierungsprozesse im Iran, Osmanischem Reich und in Aserbaidschan 1856-1935. Mit besonderer Berücksichtigung des intellektuellen und des interregionalen Austausches

 

Abgeschlossene Hablitationen

Donal O’Sullivan, „Challenge and Response: Sowjetische Osteuropapolitik 1939-1949 und die Reaktion des Westens“

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